Gute Entscheidungen können nur einem System entstammen, das in sich ruht und stabil ist. Das heißt, als Verhandler sollten wir stets die innere Ruhe bewahren und uns bei Bedarf stabilisieren können. Insbesondere beim Austausch von Argumenten und gerade dann, wenn wir rhetorisch attackiert werden, ist es schwierig, innerlich ruhig zu bleiben. Der Preis kann allerdings hoch sein. Wer sich aus der Ruhe bringen lässt, wird die eigene Position nicht mehr gut vertreten können.
Stellen Sie sich die folgende Situation vor. Sie liefern sich ein rhetorisches Gefecht mit einem Experten, der die gegnerische Partei in Fachfragen vertritt. Sie haben bereits eine Äußerung getätigt. Ihre Aussagen zum Sachverhalt sind schlüssig und nachvollziehbar und zugleich kaum widerlegbar. Nun ist der Experte an der Reihe. Er beginnt seine Ausführungen mit dem Kommentar, dass Sie von der Materie überhaupt keine Ahnung hätten, und setzt die Kette der persönlichen Angriffe fort. Sie spüren, wie die Wut in Ihnen emporsteigt. Am liebsten wollen Sie dem anderen den Kopf abreißen, was in der zivilisierten Welt schwierig ist und darüber hinaus die Fortführung der Verhandlung obsolet machen würde. All die Argumente, die Sie parat hatten, alle Überlegungen zum Thema verschwinden in den Hintergrund. Ihre Kiefermuskeln verspannen sich, Ihr Ziel der Verhandlungsführung ändert sich, Ihnen geht es nicht mehr darum, eine Einigung mit der anderen Seite zu erreichen, sondern den anderen zu verletzen. Ihre Sprechgeschwindigkeit erhöht sich, Ihr Blick wird schärfer und Sie greifen Ihren Gesprächspartner ebenso persönlich an. Nach dem Schlagabtausch fallen Ihnen wieder viele gute Argumente und Ausführungen ein, die Ihnen während des Wortgefechts nicht mehr präsent waren.
Was ist passiert?
Dem Verhandlungspartner ist es gelungen, die Führung auf der emotionalen Ebene zu übernehmen. Sie haben sich in die emotionale Welt des anderen hineinziehen lassen. Der Preis ist, dass Sie Ihren Sachverhalt nicht mehr passend vertreten konnten, da die herrschenden Emotionen das nicht mehr zuließen.
Als Verhandler müssen wir stets die Führung auf der rhetorischen Eben übernehmen, indem wir bestimmen, worüber, also über welche Themen, gesprochen wird und in welcher Richtung die Informationen fließen. Bestenfalls sind wir die Informationsempfänger.Eine Ebene darüber geht es nicht mehr darum, worüber wir reden, sondern wie wir miteinander sprechen. Auch in diesem Feld müssen wir stets die Führung übernehmen. Die Art und Weise, wie wir uns miteinander austauschen, muss immer von dem führenden Verhandler determiniert werden. Nun können Sie sich eine dritte Dimension hinter den zwei Ebenen vorstellen. Die Ebene der Gefühle und Emotionen. Wer in dieser Dimension die Führung hat, kann die beiden anderen Ebenen leichter beeinflussen. Also bleibt es unser Ziel, den Verhandlungspartner in unsere emotionale Haltung hineinzuziehen und nicht umgekehrt. Denn wir können, wie zuvor erläutert, den Sachverhalt nicht passend vertreten und erläutern, wenn wir einmal aus dem emotionalen Gleichgewicht geraten sind. Wir vergessen dann Argumente, Ausführungen und Begründungen, da die Emotionen unser Kernanliegen ändern. Es entsteht in uns eine Diskrepanz zwischen den gedanklichen und den emotionalen Zielen, was unser Vorgehen erheblich schwächt.
Emotional zu führen ist Sache der Profis. Gehen wir noch einmal durch die zuvor erläuterte Situation. Ihr Gesprächspartner hat Sie persönlich angegriffen und Sie fühlen nun, wie die Wut hochsteigt. Anstatt nun die Wut zur Haupttriebkraft Ihrer Handlung werden zu lassen, tun Sie Folgendes. Sie spüren die Wut und erkennen sie an. Sie nehmen Sie wahr als Energie, die nun portioniert kanalisiert werden muss. Sie halten für Sekunden inne und machen sich klar, dass Sie die emotionale Führung beibehalten wollen. Also warten Sie so lange, bis Sie spüren, Ihre inneren Prozesse unter Kontrolle zu haben. Hierbei geht es um Sekunden. Und bei dem Umgang mit der Wut geht es nicht darum, diese zu verdrängen, zu leugnen oder wegzuradieren zu wollen, was ohnehin nicht geht. Sondern ihre Präsenz anzuerkennen und sie als Kraft zu kontrollieren und nicht umgekehrt. Erst nachdem Sie Kontrolle über Ihre inneren Abläufe gewonnen haben, fangen Sie mit der verbalen Kommunikation an. Allerdings reden und agieren Sie langsamer als sonst. Bewusste Langsamkeit ist hierbei vonnöten, da unkontrollierte Emotionen uns in hektisches und impulsives Verhalten hineindrängen. Damit würden wir die Kontrolle über uns und die Verhandlung verlieren. Also beginnt die Kontrolle und Führung der Verhandlung mit der Kontrolle und Führung des eigenen inneren Haushaltes. Das langsame Agieren ist ein pragmatisches und effektives Mittel hierfür, das unbedachte und impulsive Verhaltensweisen unterbindet. Damit behalten Sie das innere Gleichgewicht und die Gefühlslage. Aus der Stabilität heraus agieren Sie verlässlicher und sind durchsetzungsfähiger. Sie determinieren Ihre innere emotionale Haltung und bestimmen damit Ihr Vorgehen. Der Gesprächspartner spürt das. Möglicherweise wird er unbewusst mehrfach Anlauf nehmen, um Sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dann wiederholen Sie die zuvor erläuterte Methode. Dieser Kampf um die emotionale Führung wird so lange fortgeführt, bis einer der Gesprächspartner innerlich kippt, innerlich umfällt. Bestenfalls Ihre Gesprächspartner. Ab diesem Moment haben Sie die emotionale Führung.
Emotionen haben eine massive Wirkung auf unsere Entscheidungsfindung. Deshalb ist es nicht damit getan, eine Verhandlung ausschließlich gedankenorientiert umsetzen zu wollen. Oft sind Gedanken nichts anderes als Rationalisierungskonstrukte für Gefühle und Emotionen, die wir in uns tragen. Gefühle und Emotionen sind aus diesem Grund sehr mächtig. Also müssen wir dort ansetzen, wo die Macht in uns herrscht, um machtvoll nach außen agieren zu können.